Wie überall im Leben kann auch im beruflichen Umfeld schnell einmal ein Arbeitsunfall geschehen. Ein Mitarbeiter rutscht aus und bricht sich dabei das Bein oder verletzt sich beim Heben einer schweren Last an der Wirbelsäule. Als Fachkraft für Arbeitssicherheit sind wir zwar immer bestrebt, dass Arbeitsunfälle durch Schutzmaßnahmen und Sicherheitsunterweisungen erst gar nicht passieren: Gänzlich ausschließen können wir sie dennoch nicht. Erfahren Sie jetzt in diesem Beitrag, wie Arbeitsunfälle in Deutschland definiert werden und wie Sie als Arbeitgeber richtig vorgehen, sollte es in Ihrem Betrieb zu einem Arbeitsunfall kommen.
Was zählt als Arbeitsunfall?
Unter einem Arbeitsunfall versteht man in erster Linie einen Unfall, den eine versicherte Person infolge einer versicherten Tätigkeit (= Arbeit) erleidet. Pro Jahr werden rund 800.000 Arbeits- und Wegeunfälle bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) gemeldet.
Wie die DGUV-Statistik Arbeitsunfallgeschehen 2023 zeigt, passieren die meisten Arbeitsunfälle „aus der Bewegung heraus“ – also beim Gehen, Laufen, Stolpern oder Stürzen. Gefolgt von Tätigkeiten mit Handwerkzeugen und der manuellen Handhabung von Gegenständen.
Einschränkungen des Versicherungsschutzes bei Arbeitsunfällen
Nicht als Arbeitsunfall gelten Verletzungen oder Gesundheitsschäden, die ohne äußere Einwirkung während der Arbeit auftreten. Beispiele hierfür sind ein Herzinfarkt am Schreibtisch oder ein Hexenschuss aufgrund eines bestehenden Bandscheibenschadens.
In solchen Fällen fehlt der direkte Zusammenhang zwischen dem Unfallgeschehen und der versicherten Tätigkeit. Ob ein Ereignis tatsächlich als Arbeitsunfall anerkannt wird, prüft der zuständige Unfallversicherungsträger im Einzelfall. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Versicherte selbst eine Mitschuld am Unfall trägt. Entscheidend ist allein, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Arbeitsunfall erfüllt sind.
(Quelle: Was sind Arbeitsunfälle? – BMAS)
Die Rechtsrundlage bei Arbeitsunfällen
Gesetzlich definiert sind Arbeitsunfälle im Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung, § 8 Arbeitsunfall (§ 8 SGB 7 – Einzelnorm):
„Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.“ |
Die gesetzliche Unfallversicherung gewährleistet während der Ausübung beruflicher Tätigkeiten weitreichenden Versicherungsschutz. Dieser Schutz gilt demnach gemäß § 8 SGB 7 auch für das Arbeiten im Home Office.
Erweiterter Versicherungsschutz bei Arbeitsunfällen
Der Schutz der Unfallversicherung umfasst auch Tätigkeiten, die bedingt in Verbindung mit der eigentlichen Arbeit stehen. Beispielsweise wenn Ihr Mitarbeiter irgendein Arbeitsgerät von A nach B befördern muss oder eine Dienstreise antritt und dabei in einen Unfall involviert wird.
Der Versicherungsschutz Ihrer Mitarbeiter gilt auch dann, wenn Sie als Unternehmer einen Betriebsausflug oder eine Firmenfeier organisieren. Auch die Teilnahme an betrieblich organisiertem Sport und etwaige damit verbundene Unfällen sind durch die gesetzliche Unfallversicherung gedeckt.
Im noch weiter gefassten Sinne stehen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung weitere Tätigkeiten und Situationen, die mit der versicherten Tätigkeit in Zusammenhang stehen, wie beispielsweise:
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- Unfälle bei ehrenamtlichen Tätigkeiten: Auch ehrenamtliche Arbeit, wie sie beispielsweise ein Sicherheitsbeauftragter in seiner Firma ausführt, kann unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fallen.
- Unfälle bei Hilfeleistungen: Zum Beispiel während einer Hilfeleistung nach einem Verkehrsunfall.
Der Wegeunfall als Arbeitsunfall
Darüber hinaus werden auch sogenannte Wegeunfälle als Arbeitsunfälle definiert und sind daher versicherungsrechtlich Arbeitsunfällen gleichgestellt. Ein Wegeunfall kann auf dem direkten Weg zur Arbeit oder zurück nach Hause passieren. Auch bestimmte Umwege, wie etwa das Bringen eines Kindes zur Kita, können unter den Versicherungsschutz fallen.
Ihre Pflicht als Arbeitgeber im Arbeitsschutz
Nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) sind Sie verpflichtet, Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit zu ergreifen.
In diesem Kontext müssen Sie gemäß § 5 ArbSchG eine Gefährdungsbeurteilung durchführen lassen, um potenzielle Gefahrenquellen an den Arbeitsplätzen in Ihrem Unternehmen zu erkennen. Beispielsweise um zu ermitteln, ob in Ihrem Unternehmen das Risiko einer explosionsfähigen Atmosphäre besteht. Falls ja, sind Sie als Arbeitgeber zusätzlich verpflichtet, ein Explosionsschutzdokument erstellen zu lassen (nach § 6 Abs. 9 der Gefahrstoffverordnung – GefStoffV oder der Betriebssicherheitsverordnung – BetrSichV).
In diesem Zusammenhang spielen auch Sicherheitszeichen eine zentrale Rolle bei der Verhütung von Arbeitsunfällen und tragen wesentlich zur Arbeitssicherheit bei. Durch ihre Platzierung an den richtigen Stellen in Ihrem Betrieb stellen Sie sicher, dass alle Mitarbeiter auf mögliche Risiken hingewiesen werden und präventive Maßnahmen ergreifen können, um Arbeitsunfälle zu vermeiden.
Arbeitsunfall: Was tun als Arbeitgeber?
Schritt | Beschreibung |
Medizinische Versorgung sicherstellen | Erste Hilfe leisten und bei Bedarf ärztliche Behandlung organisieren |
Unfallhergang untersuchen | Den Vorfall dokumentieren und Ursachen analysieren |
Meldung an den Versicherungsträger | Den Unfall unverzüglich der zuständigen Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse melden |
Prüfung des Arbeitsunfalls | Der Versicherungsträger prüft, ob es sich um einen meldepflichtigen Arbeitsunfall handelt |
Im Falle eines Arbeitsunfalles gilt es nicht nur schnell, sondern vor allem richtig und besonnen zu handeln. Zunächst sollten Sie oder die Ersthelfer sowie fachkundige Personen in Ihrem Unternehmen die Unfallstelle sichern und unverzüglich Erste Hilfe leisten. Bei schweren Verletzungen oder lebensbedrohlichen Situationen ist es wichtig, sofort den Rettungsdienst zu alarmieren.
Anschließend müssen Sie sicherstellen, dass die verletzte Person ärztlich versorgt wird. Ein Arztbesuch ist notwendig, um die Verletzungen im Verbandbuch zu dokumentieren und gegebenenfalls eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen zu lassen.
Die Dokumentation von Erste-Hilfe-Leistungen bei Arbeitsunfällen
Wenn in Ihrem Betrieb Erste Hilfe geleistet wird, auch bei kleineren Arbeitsunfällen, sind Sie verpflichtet, dies sorgfältig zu dokumentieren. Nutzen Sie hierfür entweder die DGUV Information 204-021 „Meldeblock“, einen Dokumentationsbogen oder eine elektronische Dokumentation, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind.
Die Aufzeichnungen müssen mindestens fünf Jahre aufbewahrt werden (§ 24 Abs. 6 DGUV Vorschrift 1). Da es sich um personenbezogene Daten handelt, müssen Sie diese vor unbefugtem Zugriff schützen und die Vorgaben der DSGVO sowie des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) einhalten. Die Dokumentation ist wichtig, da sie als Nachweis für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls dient.
Wann müssen Sie einen Arbeitsunfall bei der Unfallversicherung melden?
Nach § 193 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitgeber verpflichtet, jeden Unfall in ihrem Betrieb anzuzeigen, wenn versicherte Personen getötet werden oder so schwer verletzt sind, dass sie für mindestens vier Tage arbeitsunfähig bleiben (= meldepflichtige Arbeitsunfälle). Diese gesetzliche Verpflichtung gilt sowohl für Arbeitsunfälle als auch für Wegeunfälle, die auf dem Weg zur oder von der Arbeitsstätte passieren.
Die Unfallanzeige müssen Sie oder ein Bevollmächtigter in Ihrem Unternehmen innerhalb von drei Tagen einreichen. In bestimmten Fällen können auch Anzeigen von verletzten Personen, Krankenkassen oder (Durchgangs-)Ärzten bei meldepflichtigen Unfällen berücksichtigt werden. Mit der Unfallanzeige werden alle relevanten Angaben erfasst, die für das Feststellungsverfahren sowie für präventive Maßnahmen erforderlich sind.
So melden Sie einen Arbeitsunfall bei Ihrer Unfallversicherung
Unser Tipp: Auf der Website der DGUV finden Arbeitgeber u. a. ein ausfüllbares PDF für eine Unfallanzeige. Über das DGUV Serviceportal können Sie die Anzeige online ausfüllen und einreichen: DGUV Formtexte Unternehmen
Arbeitsunfall: Wer zahlt?
Das Sozialgesetzbuch (SGB) regelt klar, wer im Schadensfall zahlt und wie lange diese Zahlungen erfolgen. Bei einem Arbeitsunfall entspricht die Lohnfortzahlung in den ersten sechs Wochen der Regelung bei einer gewöhnlichen Erkrankung. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger an, zahlt der zuständige Versicherungsträger ein Verletztengeld. Dieses beträgt 80 Prozent des Regelentgelts und dient als Entgeltersatzleistung.
100 % Lohnfortzahlung für 6 Wochen durch Arbeitgeber
Nach einem Arbeitsunfall sind Sie als Arbeitgeber verpflichtet, für die ersten sechs Wochen (42 Tage) das Gehalt in voller Höhe weiterzuzahlen. Diese Lohnfortzahlung entspricht 100 Prozent des regulären Gehalts. Voraussetzungen dafür sind:
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- Der betroffene Arbeitnehmer war zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls bereits mindestens vier Wochen in Ihrem Betrieb beschäftigt.
- Es liegt eine dementsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor.
Berufsgenossenschaft übernimmt nach mehr als 6 Wochen Arbeitsunfähigkeit
Nach Ablauf der sechs Wochen endet die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Lohnfortzahlung. Ab diesem Zeitpunkt übernimmt die zuständige Berufsgenossenschaft als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung die finanzielle Unterstützung. Sie zahlt entweder Verletztengeld oder – bei dauerhaften Einschränkungen – eine Unfallrente. Die Auszahlung dieser Leistungen (in der Regel 70 %, maximal 90 % des Nettolohns) erfolgt über die Krankenkasse des Arbeitnehmers.
Zuständige Unfallversicherungen bei einem Arbeitsunfall
Die Zuständigkeit der Unfallversicherung bei einem Arbeitsunfall hängt von der Art der Tätigkeit und dem Arbeitsumfeld ab. Die gesetzlichen Unfallversicherungsträger entscheiden darüber, ob ein Unfall als Arbeitsunfall anerkannt wird. Zuständig sind:
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- die Gewerblichen Berufsgenossenschaften für Beschäftigte in privaten Wirtschaftsunternehmen
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- die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft für Beschäftigte und Selbstständige in der Landwirtschaft
- die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand für Beschäftigte von Bund, Ländern und Gemeinden sowie für Kindergartenkinder, Schüler und Studierende
Was bezahlen Unfallversicherungen bei einem Arbeitsunfall?
Nach einem Arbeitsunfall haben Beschäftigte Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, um die Folgen des Unfalls zu bewältigen und die Rückkehr ins Berufsleben zu erleichtern. Dazu gehören:
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- ärztliche Behandlung und Rehabilitation
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- Verletztengeld während der Arbeitsunfähigkeit
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- Umschulungen und berufliche Wiedereingliederung
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- behindertengerechte Anpassung des Arbeitsplatzes
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- Unfallrente bei dauerhaften Schäden
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- Hinterbliebenenrente im Todesfall
- Übernahme von Sachschäden durch Erste-Hilfe-Leistungen (z. B. zerrissene Kleidung)
Arbeitsunfall ohne Personenschaden: Das bezahlt Ihre Berufsgenossenschaft
Ein Arbeitsunfall bzw. Gesundheitsschaden liegt auch dann vor, wenn durch den Unfall ein Hilfsmittel wie eine Brille oder ein Hörgerät beschädigt wird oder verloren geht. In solchen Fällen ersetzt die gesetzliche Unfallversicherung die Kosten für die Reparatur oder die Ersatzbeschaffung.
Unser Tipp: Auf der Webseite „Formularservice“ der BGW (Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege finden Sie ein Dokument, um Reparatur- oder Ersatzbeschaffungskosten nach einem Arbeitsunfall zu beantragen.
Unterstützung durch unsere Fachkräfte für Arbeitssicherheit
Um den Arbeitsschutz professionell und rechtskonform umzusetzen, stehen unsere Sicherheitsfachkräfte und Sicherheitsingenieure Unternehmen deutschlandweit zur Seite.
Ob bei der Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung oder Brandschutzbegehung vor Ort in Ihrem Unternehmen: Wir helfen Ihnen dabei, die Sicherheit in Ihrem Betrieb zu gewährleisten und Arbeitsunfälle zu vermeiden.
Profitieren Sie von unserer vielfältigen Expertise, um die Arbeitsbedingungen in Ihrem Unternehmen nachhaltig zu verbessern.