Wenn es um die Gesundheit am Arbeitsplatz geht, fällt oft der Begriff arbeitsmedizinische Vorsorge. Doch was verbirgt sich dahinter und wie ist sie in Deutschland geregelt? Viele verwechseln die Vorsorge mit der arbeitsmedizinischen Betreuung basierend auf der DGUV Vorschrift2, die ähnlich wie die sicherheitstechnische Betreuung durch eine Fachkraft für Arbeitssicherheit geregelt ist. Im Fokus dieses Beitrags von Arbeitssicherheit-Deutschland steht die arbeitsmedizinische Vorsorge, deren Ziel es ist, arbeitsbedingte Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und Berufskrankheiten vorzubeugen. Für bestimmte Tätigkeiten sind arbeitsmedizinische Vorsorgen anzubieten oder sogar vorgeschrieben. Wir erläutern, welche Arten von Vorsorge es gibt und wann Sie als Arbeitgeber verpflichtet sind, sogenannte Vorsorgeuntersuchungen anzubieten.

Die Geschichte der arbeitsmedizinischen Vorsorge in Deutschland

Diese zeigt eine stetige Weiterentwicklung hin zu einem präventiven und mitarbeiterorientierten Ansatz. Ursprünglich wurden sogenannte G Untersuchungen (G-Grundsätze) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) durchgeführt, mit dem Ziel, arbeitsbedingte Erkrankungen frühzeitig zu erkennen oder vorzubeugen und die Eignung der Beschäftigten für bestimmte Tätigkeiten zu beurteilen.

Vor dem Inkrafttreten der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) im Jahr 2008 fanden sich entsprechende Vorschriften in diversen fachspezifischen Regelwerken, wie der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) oder Biostoffverordnung (BioStoffV) sowie im Unfallverhütungsrecht der Unfallversicherungsträger.

Mit der Einführung der ArbMedVV wurden diese Vorgaben zusammengeführt und bundesweit einheitlich geregelt, was jetzt für mehr Transparenz und Rechtsklarheit sorgt. Die arbeitsmedizinische Vorsorge ist zudem als Recht der Beschäftigten in der Arbeitsschutzrahmenrichtlinie der Europäischen Union („Rahmenrichtlinie“) verankert. Konkretisiert wird die Vorsorgeverordnung von den Arbeitsmedizinischen Regeln (AMR), die vom Ausschuss für Arbeitsmedizin (AfAMed) erstellt oder angepasst werden.

Ihre Verantwortung als Arbeitgeber bei der arbeitsmedizinischen Vorsorge

Als Arbeitgeber sind Sie gemäß dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet, für den Gesundheitsschutz Ihrer Beschäftigten zu sorgen. Hierzu gehört auch, dass Sie auf Basis der Gefährdungsbeurteilung („Beurteilung der Arbeitsbedingungen“ § 5 ArbSchG) einen Arbeitsmediziner oder Betriebsarzt mit der Durchführung der Vorsorge beauftragen.

Ein weiterer Meilenstein war die Änderung der ArbMedVV im Jahr 2013, durch die der Fokus neu ausgerichtet wurde: Seitdem wird von „arbeitsmedizinischer Vorsorge“ statt von „Vorsorgeuntersuchungen“ gesprochen.

Für Arbeitgeber bedeutet das, dass nicht mehr der Nachweis der gesundheitlichen Eignung im Vordergrund steht, sondern die präventive Beratung und Unterstützung der Mitarbeitenden. Der frühere Untersuchungszwang ist entfallen, und es wurde klargestellt, dass körperliche sowie klinische Untersuchungen nur mit Einwilligung Ihrer Beschäftigten erfolgen dürfen.

Mit der arbeitsmedizinischen Vorsorge leisten Sie als Arbeitgeber einen wichtigen Beitrag zur Früherkennung arbeitsbedingter Erkrankungen und zum langfristigen Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit in Ihrem Unternehmen.

Pflicht, Angebot, Wunsch: Die drei Säulen der arbeitsmedizinischen Vorsorge

Neben dem Arbeitsschutzgesetz müssen Arbeitgeber auch gemäß § 3 ArbMedVV („Allgemeine Pflichten des Arbeitgebers“) auf Grundlage ihrer Gefährdungsbeurteilung für eine angemessene Vorsorge sorgen. Doch was bedeutet das konkret? Hier unterscheidet die Verordnung zwischen drei verschiedenen Arten der Vorsorge: der Pflichtvorsorge, der Angebotsvorsorge und der Wunschvorsorge.

Was ist die arbeitsmedizinische Pflichtvorsorge?

Diese Form der Vorsorge müssen Sie als Arbeitgeber von sich aus bei bestimmten, besonders gefährdenden Tätigkeiten für Ihre Beschäftigten veranlassen. Um welche Tätigkeiten es sich dabei genau handelt, ist im Anhang der ArbMedVV („Anhang Arbeitsmedizinische Pflicht- und Angebotsvorsorge“)angeführt.

Typische Beispiele sind Arbeiten mit Gefahrstoffen wie Asbest, Blei oder bestimmten Lösungsmitteln sowie Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen, etwa in Laboren, Kliniken oder Pflegeeinrichtungen.

Im Pflegebereich besteht nicht nur eine erhöhte Gefahr durch Nadelstich- und Schnittverletzungen, sondern auch für Hauterkrankungen. Beim Arbeitsschutz in der Pflege ist diesbezüglich die ehemalige G24-Untersuchung anzuführen: Bei Tätigkeiten, bei denen Mitarbeitende täglich mehr als vier Stunden Feuchtarbeit verrichten oder häufig mit hautschädigenden Stoffen in Berührung kommen wird die „Arbeitsmedizinische Vorsorge bei Tätigkeiten mit Hautgefährdung“ zur Pflichtvorsorge.

Ebenfalls zur Pflichtvorsorge zählen Tätigkeiten mit physikalischen Einwirkungen, wie extremer Lärm oder Vibrationen, Taucherarbeiten oder Arbeiten bei extremen Temperaturen. Gemäß § 4 ArbMedVV („Pflichtvorsorge“) dürfen Sie eine solche Tätigkeit erst dann ausüben lassen, nachdem der oder die Beschäftigte an der Pflichtvorsorge teilgenommen hat.

Obwohl die Teilnahme für die Mitarbeitenden faktisch verpflichtend ist, um die Tätigkeit aufnehmen zu dürfen, gilt auch hier: Körperliche oder klinische Untersuchungen dürfen nicht gegen den Willen des Beschäftigten durchgeführt werden.

Kommen Sie Ihrer Pflicht nicht nach, die arbeitsmedizinische Pflichtvorsorge rechtzeitig zu veranlassen, können Bußgelder oder sogar Strafen drohen (§ 10 ArbMedVV „Ordnungswidrigkeiten und Straftaten“ und § 26 Abs. 2 ArbSchG „Strafvorschriften“).

Was ist die arbeitsmedizinische Angebotsvorsorge?

Diese Form der Vorsorge müssen Sie Ihren Beschäftigten bei bestimmten gefährdenden Tätigkeiten ebenfalls aktiv anbieten. Die Verpflichtung  zur Angebotsvorsorge finden Sie in § 5 ArbMedVV.

Im Gegensatz zur Pflichtvorsorge ist die Teilnahme für Ihre Mitarbeitenden freiwillig. Dennoch sind Sie verpflichtet, das Angebot vor Aufnahme der Tätigkeit und danach in regelmäßigen Abständen zu unterbreiten. Selbst wenn ein Beschäftigter das Angebot ablehnt, entbindet Sie dies nicht von der Verpflichtung, weiterhin regelmäßig Angebotsvorsorgen anzubieten.

Typische Beispiele für Angebotsvorsorge finden sich wieder im Anhang der ArbMedVV. Dazu gehören Tätigkeiten an Bildschirmgeräten, bei denen eine Untersuchung der Augen und des Sehvermögens angeboten werden muss oder Tätigkeiten mit Lärmexposition ab 80 dB(A).

Auch Feuchtarbeit von mehr als zwei Stunden täglich oder der Umgang mit sensibilisierenden Stoffen wie Latexhandschuhen erfordern ein entsprechendes Angebot. Darüber hinaus müssen Sie Angebotsvorsorge unterbreiten, wenn Sie Kenntnis von einer möglicherweise arbeitsbedingten Erkrankung eines Mitarbeitenden erhalten. Dies gilt auch für vergleichbare Tätigkeiten, bei denen eine Gefährdung nicht ausgeschlossen werden kann.

Die ArbMedVV sieht außerdem vor, dass nach Beendigung bestimmter Tätigkeiten, bei denen Gesundheitsstörungen mit längeren Latenzzeiten auftreten können, eine sogenannte nachgehende Vorsorge angeboten werden muss. Diese Verpflichtung wird am Ende des Beschäftigungsverhältnisses auf den zuständigen gesetzlichen Unfallversicherungsträger übertragen, sofern der oder die Beschäftigte eingewilligt hat.

Was ist die arbeitsmedizinische Wunschvorsorge?

Hier müssen Sie als Arbeitgeber nicht selbst aktiv werden. Sehr wohl aber müssen Sie Ihren Beschäftigten auf deren eigenen Wunsch hin eine Wunschvorsorge ermöglichen. Und zwar unabhängig davon, ob die jeweilige Tätigkeit im Anhang der Vorsorgeverordnung aufgeführt ist. Dieser Anspruch ist in § 5a ArbMedVV („Wunschvorsorge“) geregelt und geht über die festgelegten Pflicht- und Angebotsvorsorgen hinaus.

Typische Anlässe für Wunschvorsorge sind etwa die Wahrnehmung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz, Verdacht auf allergische Reaktionen durch bestimmte Arbeitsstoffe, muskuläre oder orthopädische Beschwerden durch einseitige Belastungen.

Als Arbeitgeber dürfen Sie den Wunsch nach Wunschvorsorge nur dann ablehnen, wenn Sie anhand Ihrer Gefährdungsbeurteilung und der eingeleiteten Schutzmaßnahmen plausibel und nachweisbar darlegen können, dass aus der Tätigkeit kein Gesundheitsschaden zu erwarten ist. Die Beweislast für die Ablehnung liegt also dabei bei Ihnen. Im Zweifelsfall sollten Sie jedoch immer offen für das Gespräch mit Ihren Beschäftigten sein und die Wunschvorsorge ernst nehmen.

Der Ablauf sieht meistens so aus, dass Beschäftigte einen Antrag auf Wunschvorsorge stellen. Das geschieht entweder direkt beim Arbeitgeber oder über den Betriebsarzt. Als Arbeitgeber kümmern Sie sich dann um die Organisation und tragen auch die Kosten der Wunschvorsorge (was auch für die Pflicht- und Angebotsvorsorge gilt). Sollte die gewünschte Vorsorge unberechtigterweise verweigert werden, kann die zuständige Behörde die Durchführung anordnen und bei Zuwiderhandlung ein Bußgeld verhängen. So trägt auch Wunschvorsorge dazu bei, das Vertrauen in den betrieblichen Gesundheitsschutz zu stärken und individuell auf die Bedürfnisse Ihrer Mitarbeitenden einzugehen.

Abgrenzung zur Eignungsuntersuchung: Was ist der Unterschied zur Vorsorge?

Die arbeitsmedizinische Vorsorge und die Eignungsuntersuchung verfolgen unterschiedliche Ziele und basieren auf verschiedenen rechtlichen Grundlagen. Die arbeitsmedizinische Vorsorge dient in erster Linie der Aufklärung und Beratung der Beschäftigten zu Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatz und ist ein persönliches Recht zum Schutz der eigenen Gesundheit.

Im Gegensatz dazu prüft die Eignungsuntersuchung, ob eine Person aus medizinischer Sicht für bestimmte Tätigkeiten geeignet ist. Daher liegt der Fokus hier auf den Interessen des Arbeitgebers, etwa als Bedingung für eine Einstellung oder die weitere Beschäftigung.

Ein typisches Beispiel für eine Eignungsuntersuchung ist die ehemalige G25-Untersuchung, die für Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten vorgesehen war. Heute wird sie als Eignungsbeurteilung gemäß den aktuellen arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben durchgeführt. Ziel ist es, festzustellen, ob die gesundheitlichen und körperlichen Voraussetzungen für Tätigkeiten, wie das sichere Führen von Fahrzeugen oder das Bedienen von Maschinen, erfüllt sind.

Wegen der unterschiedlichen Folgen beider Untersuchungen ist es wichtig, sie grundsätzlich getrennt voneinander durchzuführen. Sollte aus betrieblichen Gründen eine gemeinsame Durchführung unvermeidlich sein, muss der Betriebsarzt die verschiedenen Zwecke klar und transparent kommunizieren.

Gehören Impfungen zur arbeitsmedizinischen Vorsorge?

Ja, Impfungen sind ein wichtiger Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge. Sie werden vom Arbeitgeber als Präventionsmaßnahme angeboten, wenn durch eine Tätigkeit ein erhöhtes Infektionsrisiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung besteht. Das kann im Rahmen der Pflicht-, Angebots- oder Wunschvorsorge geschehen.

Entscheidend ist jedoch, dass es im deutschen Arbeitsschutz keine Impfpflicht gibt. Die Teilnahme an einem Impfangebot ist für Beschäftigte immer freiwillig und erfordert ihre ausdrückliche Einwilligung.

Was steht in der Vorsorgebescheinigung?

Als Arbeitgeber erhalten Sie, wie der betreffende Mitarbeitende, eine Vorsorgebescheinigung, die Sie lediglich darüber informiert, wann und aus welchem Anlass eine arbeitsmedizinische Vorsorge stattgefunden hat

Die Bescheinigung enthält keine Aussagen zur gesundheitlichen Eignung Ihrer Mitarbeitenden, um deren Privatsphäre zu schützen. Sollte der Betriebsarzt jedoch feststellen, dass die Arbeitsschutzmaßnahmen nicht ausreichen, wird er Sie darüber informieren und notwendige Schutzmaßnahmen vorschlagen. Sie sind dann verpflichtet, diese Maßnahmen umgehend umzusetzen. Dabei können Sie sich von einer Fachkraft für Arbeitssicherheit unterstützen lassen. Ein Vorschlag zum Tätigkeitswechsel erfolgt nur als letzte Option und bedarf stets der Einwilligung des betroffenen Beschäftigten.

Alles unter einem Dach

Die Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Arbeits- und Gesundheitsschutzes ist eine herausfordernde Aufgabe für jeden Arbeitgeber. Arbeitssicherheit-Deutschland unterstützt Sie mit einem bundesweiten Netzwerk an Betriebsärzten sowohl bei der arbeitsmedizinischen Vorsorge als auch der arbeitsmedizinischen Betreuung gemäß DGUV Vorschrift 2.

Unsere qualifizierten Sicherheitsfachkräfte helfen Ihnen außerdem bei der Durchführung gründlicher Gefährdungsbeurteilungen und der Implementierung eines effektiven Sicherheitsmanagements.

Vertrauen Sie auf uns als Ihren kompetenten Partner für Arbeitssicherheit, um langfristig eine gesunde Arbeitsumgebung für Ihre Mitarbeiter zu schaffen.

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