Warum viele Gefährdungsbeurteilungen scheitern?

Warum viele Gefährdungsbeurteilungen scheitern

Gefährdungsbeurteilungen sind in vielen deutschen Betrieben in etwa so beliebt wie ein unangekündigter Steuerprüfer am Montagmorgen. Dabei gehört die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung hierzulande zu den gesetzlich vorgegebenen Pflichten von Arbeitgebern.

Warum zahlreiche Unternehmen keine Gefährdungsbeurteilung durchführen oder bei der Umsetzung scheitern, hat unterschiedliche Gründe. Es gibt Unternehmen, die diese gesetzliche Verpflichtung schlichtweg ignorieren. Andere wiederum sehen darin nur einen geringen Nutzen. Die weiter unten in diesem Beitrag angeführten krankheitsbedingten Fehltage in deutschen Betrieben sprechen jedoch eine andere Sprache.

Als zentrale Instrumente im Arbeitsschutz stellen umfassend durchgeführte Gefährdungsbeurteilungen langfristig für jedes Unternehmen einen Gewinn dar: Egal, ob es sich dabei um KMU oder Großunternehmen handelt.

In diesem Beitrag erfahren Sie die häufigsten Gründe für das Scheitern von Gefährdungsbeurteilungen und erhalten praktische Tipps für eine erfolgreiche Umsetzung.

so schreibt man eine Gefaehrdungsbeurteilung

Der Zusammenhang zwischen betrieblichem Arbeitsschutz und der Gefährdungsbeurteilung

Zitat: „Je besser der betriebliche Arbeitsschutz in Unternehmen organisiert ist, desto gründlicher werden Gefährdungsbeurteilungen durchgeführt.“

Darauf lässt eine Studie der „Europäischen Unternehmensumfrage zu neuen und aufkommenden Risiken“ (ESENER) von 2014 und 2019 über den Umgang mit Sicherheits- und Gesundheitsrisiken in europäischen Arbeitsstätten schließen.

Konkret untersuchte die ESENER-Studie unter Verwendung der Daten der deutschen Teilstichprobe den Zusammenhang zwischen der Qualität der betrieblichen Arbeitsschutzorganisation und der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen.

In beiden Erhebungsdurchgängen (2014 und 2019) zeigte sich ein ebenso interessanter wie signifikanter Zusammenhang zwischen der Qualität der Arbeitsschutzorganisation und der Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung:

    • Während die Mehrheit der Unternehmen mit einer qualitativ hochwertigen Arbeitsschutzorganisation angab, eine umfassende Gefährdungsbeurteilung durchzuführen (2014: 56 %, 2019: 59 %), lag der gleiche Anteil bei Unternehmen mit einer qualitativ minderwertigen Arbeitsschutzorganisation fast 40 Prozentpunkte niedriger (2014: 18 % bzw. 2019: 23 %).

Die Ergebnisse dieser Studie lassen also darauf schließen, dass Maßnahmen zur Stärkung der betrieblichen Arbeitsschutzorganisation zu einer verbesserten Durchführung der Gefährdungsbeurteilung beitragen.

(Quelle: Der Zusammenhang zwischen betrieblicher Arbeitsschutzorganisation und Gefährdungsbeurteilung | Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie)

 

Der rechtliche Hintergrund zur Gefährdungsbeurteilung

Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet Sie als Arbeitgeber, für eine geeignete Organisation des Arbeitsschutzes zu sorgen und in Ihre betriebliche Aufbau- und Ablauforganisation einbinden und Ihre Beschäftigten daran beteiligen.

Das übergeordnete Ziel dabei ist es, die erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen effizient und effektiv zu planen und durchzuführen. Bei dieser Aufgabe werden Sie von einer internen oder externen Fachkraft für Arbeitssicherheit sowie einem Betriebsarzt beraten, die Sie nach dem Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) bestellen müssen.

 

Woran scheitern Gefährdungsbeurteilungen häufig in der Praxis?

Unserer Erfahrung nach vor allem daran, dass Gefährdungsbeurteilungen von vornherein erst gar nicht in Angriff genommen werden.

Auch in einem Beitrag des DGUV-Forums von 2020/8 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung  wird berichtet, dass etwa die Hälfte der deutschen Unternehmen keine Gefährdungsbeurteilung durchführt, aber immerhin andere Maßnahmen zur Verbesserung von Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz ergreift.

Vor allem in Kleinst- und Kleinunternehmen sind fehlende Gefährdungsbeurteilungen eher die Regel als die Ausnahme. Häufig liegt das nicht nur am fehlenden Interesse, sondern auch an mangelnden Kapazitäten sowie unzureichendem rechtlichen Wissen rund Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit.

 

Gründe, warum viele Unternehmen keine Gefährdungsbeurteilung durchführen

Die zwei am häufigsten genannten Gründe (jeweils über 80 % der befragten Betriebe), die für die Nichtdurchführung von Gefährdungsbeurteilungen genannt werden, sind:

    •  Es liegen keine nennenswerten Gefährdungen im Unternehmen vor.

    • Die Mitarbeiter erkennen Sicherheitsdefizite selbst und melden oder beseitigen diese.

Mit einem geringen Nutzen von Gefährdungsbeurteilungen begründen dies rund 40 % der Unternehmen. Lediglich 14 % der Betriebe gaben fehlende Hilfestellung als Grund an, warum sie keine Gefährdungsbeurteilungen durchführen.

Diese Zahlen basieren auf einer Betriebsbefragung 2015 der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) und belegen, dass nur rund die Hälfte der Betriebe angab, Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen.

Auch wenn die GDA-Befragung aus dem Jahr 2015 stammt, spiegelt sie die aktuelle Situation wider: Die Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen ist in deutschen Unternehmen nach wie vor mangelhaft. Auch unsere langjährige Erfahrung als Fachkräfte für Arbeitssicherheit zeigt, dass sich die Situation bis heute kaum verbessert hat. 

 

Gefährdungsbeurteilungen verringern Ausfallzeiten in Ihrem Unternehmen

Gesunde, motivierte und leistungsfähige Mitarbeiter sind das wichtigste Potenzial eines jeden Unternehmens. Die eingangs angesprochenen hohen Ausfallzeiten von Mitarbeitenden in Unternehmen zeigen, dass viele betriebliche Maßnahmen für Sicherheit und Gesundheit nicht ausreichend greifen. Häufige Gründe für Arbeitsunfälle und berufsbedingte Erkrankungen sind fehlende oder mangelhaft durchgeführte Gefährdungsbeurteilungen.

Ohne die systematische Erfassung und Bewertung von Gefährdungen am Arbeitsplatz können Unternehmen keine gezielten Schutzmaßnahmen erarbeiten, was sich direkt auf die Gesundheit der Belegschaft und die Produktivität in Ihrem Betrieb auswirken kann.

 

Physische und psychische Gesundheit am Arbeitsplatz

Im Jahr 2023 fehlte jeder Arbeitnehmer krankheitsbedingt durchschnittlich 15,2 Tage. Damit erreichten krankheitsbedingte Fehltage je Arbeitnehmer in Deutschland einen erneuten Höchstwert.

Nach Muskel- und Skeletterkrankungen befinden sich psychische Erkrankungen bereits auf Platz zwei. Besonders auffallend dabei: Mit 36 Tagen sind Fehltage aufgrund einer psychischer Erkrankung dreimal so hoch wie bei anderen Erkrankungen. (Quelle: Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz | BMG)

In diesem Kontext passt auch die psychische Gefährdungsbeurteilung, die für viele Unternehmen eine besonders große oder auch heikle Herausforderung darstellt. Über die physische Gesundheit zu sprechen ist eine Sache. Über die psychische Gesundheit zu sprechen eine andere: Gerade traditionelle Unternehmen mit eher starren Strukturen haben sehr oft (unbegründete) Berührungsängste, wenn es um Fragen zur Verbesserungen der psychischen Gesundheit ihrer Mitarbeiter geht.

 

Gefährdungsbeurteilung erfolgreich durchführen: So geht’s richtig!

Eine systematische Vorgehensweise ist die erste Voraussetzung für eine erfolgreiche Gefährdungsbeurteilung. Die Zusammenstellung des richtigen Teams die zweite.

Die Verantwortung liegt primär bei Ihnen als Unternehmer und den Führungskräften Ihres Betriebes. Wie bereits erwähnt, sollten Sie sich der Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung von Fachkräften für Arbeitssicherheit sowie Betriebsärzten unterstützen lassen.

Entscheidend ist die Kombination aus fachlicher Kompetenz – wie der Kenntnis relevanter Rechtsvorschriften – und betrieblicher Kompetenz über Arbeitsabläufe und örtliche Gegebenheiten im Unternehmen.

 

Die Umsetzung einer Gefährdungsbeurteilung ist Teamarbeit

Sammeln Sie bereits vor der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung wichtige Unterlagen wie Betriebsanleitungen und Sicherheitsdatenblätter. Nach der Festlegung eines Vor-Ort-Termins  findet die Gefährdungsbeurteilung direkt am Arbeitsplatz statt. Eine Person dokumentiert die Ergebnisse der Tätigkeitsbeobachtungen und Mitarbeiterbefragungen, das Team prüft und ergänzt diese bei Bedarf.

 

Gefährdungsbeurteilung clever strukturieren: Vom Groben zum Detail

Eine effiziente Gefährdungsbeurteilung erfordert eine strukturierte Herangehensweise: Statt jede Tätigkeit einzeln zu betrachten, empfiehlt sich ein modularer Aufbau:

    • Gleichartige Arbeitsplätze und Tätigkeiten können dabei zusammengefasst werden.

    • Auch wiederkehrende Themen wie Bildschirmarbeit, Lagertätigkeiten oder der Einsatz von Gefahrstoffen lassen sich übergreifend bewerten.

Beginnen Sie mit einer groben Analyse und verfeinern Sie diese schrittweise. Dabei sollten Sie und Ihr Team kritische Gefahrenpunkte, die oft im Detail lauern, nicht übersehen. Die systematische Vorgehensweise macht die Umsetzung Ihrer Gefährdungsbeurteilung überschau- und bewältigbar.

 

Gefährdungsbeurteilung: Flexibel im Format

Der Gesetzgeber schreibt kein Standard-Format für Gefährdungsbeurteilungen vor. In der Praxis folgt die Dokumentation meist einem fünfstufigen Aufbau:

    1. Gefährdungen ermitteln
    2. Gefährdungen beurteilen
    3. Schutzmaßnahmen erarbeiten
    4. Schutzmaßnahmen umsetzen
    5. Wirksamkeitsprüfung

Für bestimmte Themenbereiche existieren spezielle Bewertungsformate. So werden beispielsweise psychische Belastungen durch Befragungen und Workshops erfasst. Während für Gefahrstoffe ein einfaches Maßnahmenkonzept zur Verfügung steht. Diese besonderen Beurteilungsformen dienen der spezifischen Bewertung und können problemlos als Anhang in die Gesamtdokumentation Ihrer Gefährdungsbeurteilung eingebunden werden.

 

Von der Gefährdungsbeurteilung zur Umsetzung in der Praxis

Der Weg von der theoretischen Gefährdungsbeurteilung zur tatsächlichen Umsetzung erfordert ebenfalls ein systematisches Vorgehen. Die Umsetzung der festgelegten Maßnahmen lässt sich am besten durch Excel-Listen oder spezielle Software-Lösungen verfolgen. Dabei sollte eine verantwortliche Person in Ihrem Unternehmen bestimmt werden, die diese Listen kontinuierlich überwacht.

Besonders wichtig ist die Wirksamkeitsprüfung: Wurde das angestrebte Schutzziel tatsächlich erreicht und sind möglicherweise neue Gefährdungen entstanden?

Auf der Grundlage Ihrer  Gefährdungsbeurteilung müssen auch Ihre Betriebsanweisungen und Unterweisungsunterlagen für die Sicherheitsunterweisung Ihrer Mitarbeiter neu erstellt oder aktualisiert werden.

 

Unterstützung für Ihre Gefährdungsbeurteilungen

Die erfolgreiche Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen erfordert fundiertes Fachwissen und praktische Erfahrung. Als Fachkräfte für Arbeitssicherheit unterstützen wir Unternehmen aus allen Branchen in ganz Deutschland bei allen Aspekten der Gefährdungsbeurteilungen.

Profitieren Sie von unserer unkomplizierten Vorgehensweise und branchenübergreifenden Expertise: Wir kennen die häufigsten Stolpersteine und helfen Ihnen, diese zu vermeiden. Mit unserer Unterstützung wird Ihre Gefährdungsbeurteilung von einer unangenehmen Pflichtaufgabe zu einem wertvollen Instrument für mehr Sicherheit und Gesundheit in Ihrem Unternehmen.

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