Der Arbeitsschutz in der Pflege stellt eine besondere Herausforderung dar, da Pflegekräfte täglich sowohl körperlichen als auch psychischen Belastungen ausgesetzt sind. In diesem Beitrag von Arbeitssicherheit-Deutschland erfahren Sie, welche zentralen Aspekte und Gesetzgebungen für den Schutz und die Sicherheit von Pflegekräften besonders wichtig sind. Des Weiteren erläutern wir, wie eine ganzheitliche Betrachtung des Arbeitsschutzes in der Pflege dazu beiträgt, die Gesundheit und das Wohlbefinden Ihrer Mitarbeiter langfristig zu gewährleisten.
Erhöhter Handlungsbedarf für Arbeitgeber im Pflegebereich
| 💡Laut einer Auswertung der Techniker Krankenkasse im Mai 2025 waren Pflegekräfte im Jahr 2024 durchschnittlich 28,5 Tage krankgeschrieben, Altenpflegekräfte sogar 33,1 Tage. In der ambulanten Pflege lag der Wert laut AOK Rheinland/Hamburg bei durchschnittlich 32 Tagen. (Quelle: Tag der Pflegenden | Die Techniker – Presse & Politik) |
Die Zahl der krankheitsbedingten Fehltage in der Pflegebranche ist alarmierend hoch und liegt weit über dem Durchschnitt anderer Branchen (ca. 18,2 Tage pro Jahr). Die Gründe für diese hohen Fehlzeiten sind vielfältig:
- Der Umgang mit kranken oder sterbenden Menschen, Zeitdruck, Personalmangel und die zunehmende Gewaltbereitschaft von Betreuten oder deren Angehörigen stellen erhebliche Herausforderungen dar.
- Hinzu kommen interkulturelle Anforderungen, da immer mehr Menschen aus verschiedenen Kulturen und mit unterschiedlichen Sprachen betreut werden müssen.
- Auch die körperlichen Belastungen sind erheblich: Das Heben und Tragen von Pflegebedürftigen führt häufig zu chronischen Rückenschmerzen, insbesondere im Bereich der Lendenwirbelsäule. Die wachsende Zahl pflegeintensiver und übergewichtiger Patienten verschärft dieses Problem zusätzlich.
Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass der Arbeitsschutz in der Pflege nicht nur eine gesetzliche Verpflichtung sein sollte, sondern auch ein Anliegen des Eigeninteresses, um die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter auf lange Sicht zu erhalten.
In diesem Kontext können konsequent umgesetzte Präventionsmaßnahmen dazu beitragen, die Attraktivität der Pflegebranche zu steigern und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Sicher und gesund arbeiten: Pflegeberufe brauchen mehr Arbeitsschutz
Um langfristig Arbeitsbedingungen zu schaffen, die die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten in Pflegeberufen schützen, geht es nicht nur um die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben wie dem Arbeitsschutzgesetz (§ 5 ArbSchG „Bedingungen der Arbeitsbedingungen“) sondern auch um die Umsetzung von vorausschauenden Maßnahmen, die Pflegekräfte langfristig im Beruf halten.
Hygiene als Grundpfeiler des Arbeitsschutzes in der Pflege
Hygienische Schutzmaßnahmen sind in Gesundheits- und Pflegeberufen nicht verhandelbar. Regelmäßiges Händewaschen, die Desinfektion von Arbeitsflächen und Geräten sowie das Tragen von geeigneter Arbeits- und Schutzkleidung sind grundlegend, um Infektionen zu vermeiden. Als Arbeitgeber sind Sie verpflichtet, die Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) umzusetzen und sicherzustellen, dass Ihre Mitarbeitenden über die notwendigen Ressourcen und Schulungen verfügen.
Ergonomische Arbeitsmittel in der Pflege
Die körperlichen Anforderungen bei Pflege- und Gesundheitsfachkräften sind mit ein Grund für die zahlreichen Krankenstände. Um Rückenschmerzen, Gelenksbeschwerden und andere arbeitsbedingte Erkrankungen zu reduzieren, müssen Hilfsmittel wie Hebelifte oder Transferhilfen bereitgestellt werden. Die Lastenhandhabungsverordnung (LasthandhabV) verpflichtet Arbeitgeber, Maßnahmen zur Reduzierung körperlicher Belastungen zu ergreifen.
Konkret sind Sie hier als Arbeitgeber laut § 2 LasthandhabV („Maßnahmen“) verpflichtet, die Gesundheit und Sicherheit Ihrer Beschäftigten zu schützen. Körperliche Tätigkeiten mit schweren Lasten, die eine Gefahr (insbesondere für die Lendenwirbelsäule) darstellen könnten, müssen vermieden werden. Um das zu erreichen, müssen Sie auf Basis Ihrer Gefährdungsbeurteilung organisatorische Maßnahmen ergreifen oder mechanische Hilfsmittel einsetzen. Gleichzeitig sind auch Sicherheitsunterweisungen im richtigen Heben und Tragen ausschlaggebend, um die Gesundheit Ihrer Mitarbeitenden zu schützen.
Die Gefährdungsbeurteilung als Basis im Arbeitsschutz
Ein durchdachter Arbeitsschutz beginnt mit der Gefährdungsbeurteilung, die gesetzlich im Arbeitsschutzgesetzt (ArbSchG) vorgeschrieben ist (§ 5 ArbSchG „Beurteilung der Arbeitsbedingungen“).
Die Gefährdungsbeurteilung dient dazu, potenzielle Risiken systematisch zu identifizieren und geeignete Maßnahmen zu entwickeln. Das STOP-Prinzip bietet Ihnen dabei eine klare Struktur zur Umsetzung von Schutzmaßnahmen in einer bestimmten Rangfolge: Zuerst steht die Substitution im Fokus, gefolgt von technischen und organisatorischen Maßnahmen, während persönliche Schutzmaßnahmen den letzten Schritt bilden.
Das Ziel des STOP-Prinzips ist es, Gefahren direkt an der Quelle zu eliminieren, um Beschäftigte vor Verletzungen, Erkrankungen und psychischen Belastungen zu schützen.
Substitution
Die effektivste Schutzmaßnahme ist, wenn möglich, Gefahrenquellen vollständig zu ersetzen (zu substituieren). Im Pflegebereich sind hier folgende Beispiele zu nennen:
- Austausch gefährlicher Reinigungsmittel gegen weniger aggressive Reinigungs- und Desinfektionsmittel, die die Haut der Mitarbeitenden nicht angreifen.
- Alte und nicht mehr zeitgemäße Pflegebetten durch elektrisch höhenverstellbare Modelle ersetzen, um das Risiko von Rückenschäden zu minimieren.
- Herkömmliche Messer oder Skalpellklingen durch Sicherheitsmesser mit automatischem Klingenrückzug oder feststehender Klinge ersetzen, um das Risiko von Schnittverletzungen zu minimieren, die zu den häufigsten Verletzungen im Pflegebereich zählen.
Technische Maßnahmen
Wenn eine Substitution nicht möglich ist, kommen technische Maßnahmen ins Spiel, um den Arbeitsschutz in der Pflege zu verbessern, wie beispielsweise durch:
- Statt Patienten manuell zu heben, können Hebehilfen, mobile Lifter oder Deckenliftsysteme eingesetzt werden, um körperliche Belastungen der Mitarbeitenden zu verringern.
- Rutschfeste Bodenbeläge in Nassbereichen können helfen, Stürze zu verhindern, die in der Arbeitswelt ebenfalls zu den häufigsten Arbeitsunfällen zählen.
- Moderne Lüftungssysteme sorgen für eine gute Belüftung in Räumen, in denen Desinfektionsmittel verwendet werden, um die Belastung durch Dämpfe zu reduzieren.
Organisatorische Schutzmaßnahmen
Diese kommen zur Anwendung, wenn technische Lösungen allein nicht mehr ausreichen, um einen ausreichenden Arbeitsschutz in der Pflege zu gewährleisten, wie beispielsweise:
- Dienstpläne mit Pausenregelung: Schichten können so geplant werden, dass ausreichend Erholungszeiten zur Verfügung stehen, um körperliche und mentale Überlastungen zu vermeiden.
- Regelmäßige Schulungen im rückenschonenden Arbeiten, im Umgang mit Gefahrstoffen sowie in der Anwendung von Notfallmaßnahmen sind ein wichtiger Bestandteil der Prävention, um Arbeitsunfälle zu vermeiden und die Gesundheit der Mitarbeitenden zu fördern.
- Der Zugang zu Räumen, in denen gefährliche Geräte oder Chemikalien aufbewahrt werden, wird ausschließlich auf geschultes Personal beschränkt, um potenzielle Risiken zu reduzieren und die Sicherheit am Arbeitsplatz zu gewährleisten.
Persönliche Schutzausrüstung bereitstellen
Wenn alle anderen Maßnahmen nicht ausreichen, kommt die persönliche Schutzausrüstung (PSA) als letzte Schutzmaßnahme zur Anwendung, wie etwa:
- Einmalhandschuhe und flüssigkeitsdichte Schutzkleidung helfen dabei, den Kontakt mit Körperflüssigkeiten zu vermeiden.
- Atemschutzmasken, wie FFP2-Masken schützen Mitarbeitende vor Infektionen, insbesondere bei der Versorgung von Patienten mit ansteckenden Krankheiten.
- Schutzbrillen können bei der Arbeit mit Chemikalien oder bei der Wundversorgung eingesetzt werden, um die Augen zu schützen.
Die psychische Gefährdungsbeurteilung in der Pflege
Die eingangs erwähnte hohe Anzahl an Krankheitstagen im Pflegebereich ist mehr als nur eine Statistik: sie zeigt ein tiefliegendes Problem. Während die körperlichen Anforderungen des Berufs bekannt sind, bleiben psychische Belastungen oft auf der Strecke.
| 💡Seit 2013 ist es in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben, psychische Belastungen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen (§ 5 ArbSchG Abs. 3 Satz 6 „psychische Belastungen bei der Arbeit“). |
Pflegekräfte sind auf Grund des täglichen Kontaktes mit kranken und pflegebedürftigen Menschen mit emotional stark belastenden Situationen konfrontiert. Die Folgen davon sind nicht nur für die Betroffenen spürbar, sondern auch für die gesamte Pflegeeinrichtung: Hohe Fehlzeiten belasten die verbleibenden Mitarbeitenden zusätzlich, was den Kreislauf von Überlastung und Ausfällen weiter verstärkt.
Eine psychische Gefährdungsbeurteilung bietet hier einen strukturierten Weg, um diese Herausforderungen anzugehen und für mehr Offenheit und Transparenz zu sorgen. Sie hilft, Stressfaktoren wie übermäßige Arbeitsbelastung, unzureichende Erholungszeiten aufgrund nicht eingehaltener gesetzlicher Pausenzeiten oder fehlende Unterstützung bei traumatischen Erlebnissen zu identifizieren.
Mit den Erkenntnissen einer umfassenden Gefährdungsbeurteilung bei psychischen Belastungen können sinnvolle und hilfreiche Maßnahmen entwickelt werden, wie etwa die Einführung von Supervisionen, die Anpassung von Schichtplänen oder die Förderung einer ehrlichen und unterstützenden Team- und Gesprächskultur.
Die Auseinandersetzung mit psychischen Risiken sollte für Sie als Arbeitgeber nicht nur eine gesetzliche Pflicht darstellen, sondern auch eine Investition in die Zukunft. Denn ein Arbeitsumfeld, das psychische Sicherheit bietet, schützt nicht nur die Gesundheit Ihrer Mitarbeitenden, sondern stärkt auch die Stabilität und Qualität Ihrer Pflegeeinrichtung.
Gesetzliche Regelungen für den Arbeitsschutz in der Pflege im Überblick
Die folgende Übersicht fasst die zentralen gesetzlichen Regelungen in Pflege- und Gesundheitsberufen und deren Inhalte zusammen.
| Gesetz/Vorschrift | Relevante Paragrafen | Zentrale Aspekte |
| Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) | § 4 ArbSchG: Allgemeine Grundsätze § 5 ArbSchG: Beurteilung der Arbeitsbedingungen |
Verpflichtung zur Gefährdungsbeurteilung, Maßnahmen zur Vermeidung von Gefahren |
| Arbeitszeitgesetz (ArbZG) | § 4 ArbZG: Ruhepausen § 5 ArbZG: Ruhezeit |
Regelung von Pausen und Ruhezeiten zur Vermeidung von Überlastung |
| Lastenhandhabungsverordnung (LasthandhabV) |
§ 2 LasthandhabV: Maßnahmen § 4 LasthandhabV: Unter-weisung |
Schutz vor körperlicher Überlastung, Schulung im sicheren Umgang mit Lasten |
| Mutterschutzgesetz (MuSchG) | § 10 MuSchG: Gefährdungsbeurteilung | Schutz schwangerer Mitarbeiterinnen, Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung Schwangerschaft |
| DGUV Vorschrift 1 | Grundsätze der Prävention | Allgemeine Präventionsmaßnahmen zur Unfallverhütung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) |
| Gesetz zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften betreffend Medizinprodukte (MPDG) |
– | Sicherer Umgang mit Medizinprodukten, regelmäßige Prüfungen und Schulungen |
| Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) | – | Schutz vor Strahlenbelastung, insbesondere bei bildgebenden Verfahren |
| Richtlinien des Robert-Koch-Instituts (RKI) | – | Hygienemaßnahmen, Infektionsprävention |
| Berufsgenossenschaftliche Auflagen (BG) |
– | Vorgaben zur Unfallverhütung und Arbeitssicherheit |
| Hygienevorschriften der Bundesländer | – | Regionale Regelungen zur Einhaltung von Hygienestandards in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern |
| Biostoffverordnung (BioStoffV) | – | Umgang mit biologischen Arbeitsstoffen, Schutzmaßnahmen basierend auf der Gefährdungsbeurteilung |
| Technische Regel für Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitsweisen und Wohlfahrtspflege |
TRBA 250 | Konkretisierung der BioStoffV, Festlegung von 4 Schutzstufen, Betriebsanweisungen und Unterweisungen |
| Patientenrechtegesetz | – | Schutz der Patientenrechte, indirekt relevant für Arbeitsschutz durch Vermeidung von Behandlungsfehlern |
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